Gemeindevertretung beschließt mehrheitlich Haushalt 2019 und Steuererhöhung

“Haushaltslage in unruhigem Fahrwasser”

“Die kommunale Haushaltsführung darf sich nicht zu einer nach oben offene Spirale entwickeln, die alle zwei Jahre nur durch Steuererhöhungen finanziert werden kann.”

Gestern hat die Gemeindevertretung den Haushaltsplan für das Jahr 2019 beschlossen. Der Haushalt ist erneut ausgeglichen. Beschlossen wurde auch eine Steuererhöhung der Grundsteuer A und Grundsteuer B sowie der Gewerbesteuer.

Anbei die Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Sebastian Briel im Wortlaut:

“Die Fraktion der Freien Wählergemeinschaft hat sich intensiv mit dem Haushalt beschäftigt. Wir begrüßen die Investitionen und Baumaßnahmen, die im vorgelegten Haushalt veranschlagt sind. Insbesondere der Straßenendausbau in den Baugebieten „Weingärten II“ in Nieder-Wöllstadt und im „Ilbenstädter Weg II“ in Ober-Wöllstadt wird von uns vollumfänglich begrüßt, da die Menschen in beiden neuen Neubaugebieten schon lange auf die Maßnahme warten. Auch die Investitionen im Bereich Kinderbetreuung wird von uns begrüßt. Wir freuen uns, dass der alte Gebäudeteil der Kita Abenteuerland in Nieder-Wöllstadt saniert werden soll. Ferner soll in diesem Jahr die Fahrradabstellanlage am Park-und-Ride-Platz am Bahnhof erweitert werden. Die Einrichtung der Parkmöglichkeit erfolgte dank einem FWG-Antrag.

Der Haushalt ist erneut ausgeglichen und ein Haushaltssicherungskonzept konnte erneut verhindert werden. Für die gemeindlichen Gremien bleibt die Haushaltslage trotzdem in unruhigem Fahrwasser. Konnte die Gemeindevertretung vor 10 Jahren noch etwas uneingeschränkter über „freie Mittel“ verfügen, sind bereits in den letzten Jahren die Ausgaben mehr oder weniger als gesetzliche Aufgaben vorgeschrieben. Einen großen Handlungsspielraum gibt es nicht mehr.

Der vorgelegte Haushaltsentwurf ist auch nur deshalb ausgeglichen, da in der Haushaltssatzung eine Erhöhung der Steuerhebesätze vorgesehen ist. Die Anhebung der Realsteuersätze um jeweils 32 Prozentpunkte bei Grundsteuer A und Gewerbesteuer sowie um 30 Prozentpunkte bei der Grundsteuer B hat Mehreinnahmen für die Gemeinde in Höhe von rund 134,0 T€ zur Folge. Ohne diese Erhöhung ist der Haushalt defizitär. Einem Teil der FWG-Fraktion ist es wichtig festzustellen, dass die momentanen Hebesätze unterhalb der Nivellierungssätze des kommunalen Finanzausgleichs liegen, was für die Gemeinde Wöllstadt haushaltärisch ungünstig ist. Deshalb befürwortet ein Teil der FWG-Fraktion die Erhöhung der Realsteuersätze auf das Niveau der Nivellierungssätze.

Vor gerade mal zwei Jahren wurden die Steuerhebesätze letztmals angepasst. Damals wurde die Grundsteuer A von 285% auf 300%, die Grundsteuer B von 275% auf 335% und die Gewerbesteuer von 310% auf 325% erhöht. Somit sollen die Realsteuersätze nun innerhalb von zwei Jahren spürbar erhöht werden. Bei der Grundsteuer A um 47 Prozentpunkte, das macht eine tatsächliche Steigerung von 16,5% aus. Bei der Grundsteuer B um 90 Prozentpunkte, was eine tatsächliche Steigerung von + 32,7% ausmacht. Und bei der Gewerbesteuer um 47 Prozentpunkte, das ist eine tatsächliche Steigerung von 15,2%.

Dass Einnahmen erhöht werden, weil Leistungen ausgebaut und Aufgaben (meistens durch Bundes- und Landespolitik) verschoben oder neu geschaffen werden, passiert nicht nur in Wöllstadt.

In unserer Beratung in der Fraktion hat sich ein Teil dafür ausgesprochen, dem vorgelegten Haushaltsplan zuzustimmen. Ein anderer Teil der FWG-Fraktion kritisiert, dass in der Beratung zum Haushalt keine Sparbemühung aufgezeigt wurden. Es gab sogar einen Antrag vom Gemeindevorstand, dass die Entschädigungssatzung für Gemeindevertreter, Beigeordnete und Schriftführer zu ändern. Die Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit in der Gemeindevertretung erhöhen und gleichzeitig die Steuern erhöhen, passt nicht zusammen. Wir sprechen uns dafür aus, dass der Haushaltsplan 2020 auf Einsparpotenziale untersucht wird. Zurzeit befindet sich Wöllstadt noch in der guten Situation, dass durch die neuen Baugebiete Einnahmen realisiert werden. Diese Einnahmen könnten in Zukunft wegfallen. Wir fragen uns auch, warum bis jetzt nicht alle Flächen des Regionalen Flächennutzungsplanes beplant wurden. Ein Neubaugebiet am Friedhof in Nieder-Wöllstadt würde Einnahmen produzieren. Ferner sehen wir eine Gewerbesteuererhöhung insbesondere im Rahmen der Erschließung der Gewerbegebieterweiterung als sehr kritisch.

Die kommunale Haushaltsführung darf sich nicht zu einer nach oben offene Spirale entwickeln, die alle zwei Jahre nur durch Steuererhöhungen finanziert werden kann. Hier muss die Gemeindevertretung gegensteuern.

Aus den genannten Gründen wir ein Teil der FWG-Fraktion der vorgelegten Haushaltssatzung mit ihren Anlagen nicht zustimmen. Wir würden uns freuen, wenn es zu möglichen Einsparpotenzialen in diesem Jahr zu einem konstruktiven, ergebnisoffenen und lösungsorientierten Dialog innerhalb der gemeindlichen Gremien zwischen CDU, SPD und FWG kommt.

Wir wollen abschließend jedoch trotzdem der Gemeindeverwaltung und insbesondere Frau Heil für die Arbeit und die Vorbereitung des Haushaltes danken.”